Gedichte

Mehr
24 Okt 2025 15:32 #54440 von Kaninchen
 

Die drei Raben

Drei Raben saßen auf einem Baum,
Drei schwärzere Raben gab es kaum.
Der eine sprach zu den andern zwei’n:
»Wo nehmen wir unser Frühmahl ein?«
Die andern sprachen: »Dort unten im Feld
Unterm Schilde liegt ein erschlagener Held.
Zu seinen Füßen liegt sein Hund
Und hält die Wache seit mancher Stund‘.
Und seine Falken umkreisen ihn scharf,
Kein Vogel, der sich ihm nahen darf.
Sie sprachen’s. Da kam eine Hinde daher,
Unterm Herzen trug sie ein Junges schwer.
Sie hob des Toten Haupt in die Höh
Und küsste die Wunden, ihr war so weh.
Sie lud auf ihren Rücken ihn bald
Und trug ihn hinab zwischen See und Wald.
Sie begrub ihn da vor Morgenrot,
Vor Abend war sie selber tot.
Gott sende jedem Ritter zumal
Solche Falken und Hunde und solches Gemahl.

Theodor Fontane

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Mehr
25 Okt 2025 13:03 #54452 von Kaninchen
Im dunklen Erdteil Afrika

Im dunklen Erdteil Afrika
Starb eine Ziehharmonika
Sie wurde mit Musik begraben
Am Grabe saßen zwanzig Raben
Der Rabe Mum’ro einundzwanzig
Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig
Und gründete dort etwas später
Ein Heim für kinderlose Väter
Und die Moral von der Geschicht?
Die weiß ich leider selber nicht.

Joachim Ringelnatz

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Mehr
26 Okt 2025 10:41 #54466 von Kaninchen
 

Joseph Freiherr von Eichendorff

Herbst

Nun lass den Sommer gehen,
Lass Sturm und Winde wehen.
Bleibt diese Rose mein,
Wie könnt ich traurig sein?

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Mehr
27 Okt 2025 13:54 #54483 von Kaninchen
 

Das Gedicht „Das einzige Lied“ stammt aus der Feder von Eufemia von Adlersfeld- Ballestrem.

Es rauscht ein Lied so hoch empor,
Hinauf zu allen Sternen,
Klingt über Alpengletscher hin,
In alle Weltenfernen.
Es tönt so wunderbar und süß,
Hallt in den Bergen wider,
Dringt bis zum weiten Meer hinaus,
Es ist das Lied der Lieder.

Ich möcht' es singen jeden Tag
In hundertfält'ger Weise,
Bald stürmisch, klagend, bittend heiß,
Dann wieder leis, ganz leise.
Es sangen's viele wohl vor mir
Im ewig-neuen Triebe,
Das Hohelied voll Leid und Lust,
Das Lied von Lenz und Liebe!

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Mehr
28 Okt 2025 15:56 #54506 von Kaninchen
 

Das Gedicht „Die Badewanne“ stammt aus der Feder von Joachim Ringelnatz.

Die Badewanne prahlte sehr.
Sie hielt sich für das Mittelmeer
Und ihre eine Seitenwand
Für Helgoländer Küstenland.

Die andre Seite - gab sie an -
Sei das Gebirge Hindostan
Und ihre große Rundung sei
Bestimmt die Delagoabai.

Von ihrem schmalen Ende vorn
Erklärte sie, es sei Kap Horn.
Den Kettenzug am Regulator
Hielt sie sogar für den Äquator.

Sie war - nicht wahr, das merken Sie? -
Sehr schwach in der Geographie.
Dies eingebildete Bassin,
Es wohnte im Quartier latin.

Bitte Anmelden oder Registrieren um der Konversation beizutreten.

Ladezeit der Seite: 0.195 Sekunden
Powered by Kunena Forum